Häufig gehen bei uns Anfragen für „Kurz-Gutachten“ ein. Kunden wünschen sich eine möglichst schnelle und dabei kostengünstige Wertauskunft über ihre Immobilie, da sie nur einen „groben Wert“ bräuchten. Und eigentlich sei man sich auch schon einig. Dass es sich dabei um zumeist hohe Vermögenswerte handelt und Fehler in der Bewertung zu hohen Vermögensschäden führen können, wird immer wieder in den Hintergrund gestellt.
Im Internet sind zunehmend Angebote von Maklern und Immobilienbörsen für vollautomatisierte „Kurz-Gutachten“, „Schnell-Gutachten“ oder „Online-Bewertungen“ zu finden. Hierbei handelt es sich allerdings oftmals um sogenannte „Lead-Generatoren“. Ein „Lead“ ist ein Begriff aus dem Vertrieb/Marketing und beschreibt eine Kontaktanbahnung und/oder Angabe von Kontaktinformationen durch einen potenziellen Interessenten.
Das bedeutet, primäres Ziel dieser Angebote ist nicht die Wertermittlung einer Immobilie, sondern vielmehr die Kontaktaufnahme mit einem verkaufswilligen Eigentümer und der Abschluss eines Maklervertrages.
Der Kunde hinterlässt seine Kontaktdaten und bezüglich des Objekts meist nur wenige Informationen wie Art der Immobilie, Lage, Baujahr und Wohnfläche. Weitere Informationen über eventuelle Besonderheiten, Rechte und Belastungen im Grundbuch, Bauplanungsrecht, Bodenbelastungen oder Renovierungs- und Modernisierungsbedarf der Immobilie werden hierbei meist nicht berücksichtigt. Übergroße Grundstücke, die eventuell geteilt werden können, ein besonderer Grundriss oder besondere Einbauten oder Außenanlagen werden nicht hinterfragt. Eine Ortsbesichtigung wird nicht durchgeführt.
Da es sich bei den Angaben um durch den Kunden hinterlegte Daten handelt, schließen die Anbieter eine Haftung für das Ergebnis aus.
Sachverständige hingegen, die ein Gutachten für eine Immobilie erstellen, diese aber nicht persönlich besichtigen, handeln nach der Rechtsprechung grob fahrlässig und können haftbar gemacht werden.
Warum kann eine solche Wertauskunft nichts aussagen?
Der Verkehrswert (Marktwert), der in § 194 Baugesetzbuch (BauGB) vom Gesetzgeber definiert ist, zielt auf den Wert für eine Immobilie ab, den ein Interessent im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bereit zu zahlen ist. Nach über 20 Jahren gutachterlicher Tätigkeit sind wir der Überzeugung, dass eine Immobilie stets so individuell ist, dass für eine Wertermittlung viele Einzelheiten mit einbezogen werden müssen, die bei einer automatisierten Online-Bewertung nicht berücksichtigt werden (können).
Eine weitere Ungenauigkeit bei der automatisierten Wertermittlung entsteht dadurch, dass es sich bei der Datenbasis überwiegend um Angebotspreise und nicht um tatsächliche Vertragsabschlüsse handelt, die den eigentlichen Markt widerspiegeln. Die Datenbasis und die angewendeten mathematischen Formeln werden in der Regel nicht im Detail offengelegt und bleiben Geschäftsgeheimnisse der Anbieter.
Für den normalen Verbraucher ist also in keiner Weise nachvollziehbar und überprüfbar, wie der ermittelte Wert zustande gekommen ist. Dadurch kann er auch keine Zu- oder Abschläge für ein Abweichen seiner Immobilie vom Durchschnitt berücksichtigen.
Im Ergebnis bekommt der Kunde häufig ein mit vielen Grafiken angereichertes Dokument, in dem der Wert für seine Immobilie in einer großen Preisspanne angegeben wird, die viele Eigentümer mit einer gewissen Ratlosigkeit zurücklässt. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Werte oftmals zu hoch ausgewiesen werden.
Das Wort „Gutachten“ wird bei diesen Dienstleistungen aus Haftungsgründen vermieden. Es werden unverbindliche Begriffe wie „Immowertreport“, „Wertindikation“ oder „Marktpreiseinschätzung“ verwendet.
Welche Vorteile hat ein ausführliches Verkehrswertgutachten?
Ausführliche Verkehrswertgutachten sind zum einen nachvollziehbar und dadurch überprüfbar und zum anderen belastbar und gerichtsfest. Verfahrensweisen sind in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) geregelt.
Sollte es wie zum Beispiel im Falle einer Erbauseinandersetzung oder Scheidung zu einer Gerichtsverhandlung kommen, wird eine „Online-Bewertung“ oder auch ein „Kurz-Gutachten“ vor Gericht nichts aussagen können. Diese Produkte sind nicht nachvollziehbar bzw. nicht belastbar und somit nutzlos.
Das Gleiche gilt auch in Betreuungsverfahren oder für Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt über die Höhe des Wertes einer Immobilie.
Ein ausführliches Verkehrswertgutachten durch eine auf die Immobilie angepasste Wertermittlung unter Einbeziehung der Besonderheiten der Immobilie ist stets genauer und aussagekräftiger. Durch die vom Sachverständigen durchgeführte Ortsbesichtigung können entscheidende wertbildende Faktoren, wie zum Beispiel die Nutzbarkeit des Grundstückes oder eventueller Modernisierungsbedarf Berücksichtigung finden.
Für den Kunden bietet der persönliche Kontakt zum Sachverständigen die Möglichkeit des Austausches. In einem persönlichen Gespräch können (insbesondere nach einer durchgeführten Ortsbesichtigung) Fragen beispielsweise bezüglich des Nutzungspotentials der Immobilie, eventueller Schwierigkeiten bei der Modernisierung oder der weiteren Vorgehensweise im Rahmen einer effektiven Vermarktung gestellt werden. Der Sachverständige liefert seinen Kunden also weit mehr als nur einen Wert für die Immobilie. Vielmehr steht er ihnen als Immobilienfachmann bei komplexen Fragestellungen zur Seite.
Fazit
Für ein echtes Gutachten durch einen Sachverständigen werden umfassende Recherchen betrieben, alle wertbeeinflussenden Faktoren berücksichtigt und es wird eine objektbezogene und individuelle Wertermittlung durchgeführt. Der Sachverständige haftet mit seiner Unterschrift für Fehlbewertungen. Diese Leistung kostet Geld.
Gerade im Bereich von Immobilien, die häufig hohe Vermögenswerte (und damit einhergehend erhöhtes Konfliktpotential) darstellen, sollte stets auf ein seriöses und ausführliches Verkehrswertgutachten von einem zertifizierten oder öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zurückgegriffen werden.
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